Die ACUS in der 2. Republik

Die Aussöhnung zwischen Sozialdemokratie und katholischer Kirche in Österreich wird vor allem auf Kardinal Franz König und Bundeskanzler Bruno Kreisky zurückgeführt. Und tatsächlich kommt diesen beiden großen Persönlichkeiten das Verdienst zu, historische Gräben überbrückt und das Verhältnis zwischen den von ihnen repräsentierten Großinstitutionen auf eine neue, tragfähige Grundlage gestellt zu haben. Es hat allerdings gleichzeitig - und schon zuvor - auch zahlreiche kleine Brückenbauer auf bei den Seiten gegeben, deren Bemühungen weniger im Rampenlicht standen, die aber dennoch einen wichtigen Beitrag im Sinne von Dialog und Verständigung geleistet haben.

Für Kirche und Sozialismus

In diesem Zusammenhang muss die ACUS (Arbeitsgemeinschaft Christentum und Sozialdemokratie) hervorgehoben werden, die auf die 1951 gegründete ,,Arbeitsgemeinschaft für Kirche und Sozialismus" (AKS) am Institut für Wissenschaft und Kunst zurückgeht. Diese Gruppe um Albert Massiczek und August Zechmeister trat gegen antisozialistische Positionen im Katholizismus sowie gegen kirchenfeindliche Tendenzen in der SPÖ (u. a. im damaligen Zentralorgan ,,Arbeiter-Zeitung") auf. Massiczek stellte damals in einer kurzen Analyse fest, dass sich das Verhältnis gegenüber der Zwischenkriegszeit nicht durchschlagend geändert habe: der bewusste Katholik in der SPÖ und auch sozialistische Parteiangehörige als Messbesucher seien nach wie vor Rarität.

Skepsis und Vorbehalte von beiden Seiten

Die Arbeitsgemeinschaft entfaltete ihre Aktivitäten sowohl in Richtung Kirche als auch in Richtung SPÖ, wobei sie hier als offizielle Parteiorganisation anerkannt werden wollte. Am 23.1.1959 wurde die ,,Arbeitsgemeinschaft sozialistischer Katholiken" (ASK) vom Bundesparteivorstand der SPÖ offiziell anerkannt, was vor allem das Verdienst von Justizminister Otto Tschadek (selbst sozialistischer Katholik) und Zentralsekretär Alois Piberger war, während ein Teil des Parteivorstandes und viele Funktionäre mit Skepsis reagierten. Die Tatsache, dass diese Anerkennung knapp vier Monate vor einer Nationalratswahl (10.5.1959) erfolgte, führte damals auch zu Polemik von Seiten der Arbeitsgemeinschaft katholischer Verbände (AKV), die darin reine Wahlkampftaktik der SPÖ sahen (während der AKV natürlich bei jeder Wahl die ÖVP unterstützte). Als ,,Arbeitsgemeinschaft" hatte die ASK allerdings weder Antrags- noch Delegierungsrecht beim Parteitag, aber auch keine eigene Rechtspersönlichkeit.

Keine Teilnahme an Konkordatsverhandlungen

Enttäuschend war für die AKS auch die Tatsache, dass sie bei den Verhandlungen zwischen der SPÖ und der katholischen Kirche über das Konkordat nicht einbezogen wurde. Offenbar wurden kirchenkritische Positionen der ASK schon damals von der SPÖ-Führung eher als Hindernis im Verhältnis zur Kirchenhierarchie gesehen. Massiczek verließ 1963 enttäuscht die ASK, Ende desselben Jahres starb Zechmeister, wodurch die Arbeitsgemeinschaft in eine Krise geriet. 1967 wurde die ASK in ,,Arbeitsgemeinschaft für Christentum und Sozialismus" (ACUS) umbenannt, wobei zehn Jahre später das "für" entfiel und nach einem weiteren Jahrzehnt "Sozialismus" durch "Sozialdemokratie" ersetzt wurde.

Neue Richtlinien für die ACUS

Nach der Krise im Zusammenhang mit der Fristenlösung (damals verließ in Wien ein Drittel der Mitarbeiter die ACUS) startete SPÖ-Zentralsekretär Karl Blecha Mitte der 70er-Jahre - auch im Auftrag von Parteivorsitzendem Bruno Kreisky - eine Initiative auf dem Gebiet "Christentum und Sozialismus", die auch eine Reaktivierung der ACUS einschloss. Bei einer großen Tagung im Wiener Palais Strudlhof am 20.11.1976 referierten u. a. Caritas-Präsident Prälat Leopold Ungar und der evangelische Theologieprofessor Wilhe1m Dantine von christlicher Seite sowie Blecha und der damalige Tiroler Landeshauptmannstellvertreter Herbert Salcher von SPÖ-Seite. Salcher wurde einige Monate später auch zum Bundesvorsitzenden der ACUS gewählt. Auf seinen Antrag hin beschloss der Bundesvorstand der SPÖ am 11.1.1978 neue Richtlinien für die ACUS, in denen u. a. klargestellt wurde, dass die ACUS zwar eine Arbeitsgemeinschaft in der SPÖ, aber weder eine "christliche Fraktion der SPÖ" noch eine "sozialistische Fraktion in den Kirchen" sei und auch keine wie immer gearteten "KollektivsteIlungnahmen" in der Öffentlichkeit abgeben werde. Die ACUS sollte also ein Diskussionsforum sein, das auch auf Länder- und möglicherweise auf Bezirksebene aktiv werden sollte. Gerade im Zusammenhang mit der Erstellung eines neuen SPÖ-Programms fanden zahlreiche Diskussionen (auch mit offiziellen Kirchenvertretern wie im März 1978 in St. Pölten) statt, die sich dann auch konkret im Parteiprogramm von 1978 niederschlugen.

So hieß es etwa im Abschnitt "Sozialismus und Religion":

"Millionen Christen stehen heute in der sozialistischen Bewegung, weil sie davon überzeugt sind, in ihr für ihre sittlichen Grundwerte am wirksamsten eintreten zu können. Sie sind Sozialisten nicht obwohl, sondern weil sie Christen sind."

Kritische Positionen der ACUS wenig gefragt

Salcher blieb auch als Finanzminister ACUS-Bundesvorsitzender, wobei er die praktische Arbeit immer mehr an seinen damaligen Sekretär Gerhard Steger abgab, der zugleich auch Wiener Landesvorsitzender der ACUS war. Nach dem Ausscheiden von Herbert Salcher aus der Politik übernahm Steger auch den ACUS-Bundesvorsitz und versuchte, der ACUS ein eigenständigeres Profil zu geben und dieses auch nach außen hin politisch zu vertreten. Darüber hinaus verfasste Steger als Politikwissenschafter wichtige Publikationen zum Thema Kirche und Sozialdemokratie (u. a. "Der Brückenschlag", Verlag Jugend und Volk, Wien 1982, auf den sich die meisten historischen Angaben dieses Beitrags stützen). Allerdings musste auch er erfahren, dass partei- und kirchenkritische Positionen sowohl in der SPÖ als auch in der katholischen Kirche wenig gefragt waren. Anfang der 1990er Jahre trat Steger, der seit 1997 Sektionschef im Finanzministerium ist, aus der ACUS aus und wandte sich auch von der Kirche ab.

Keine "Brückenschläge" mehr notwendig

Im Zusammenhang mit der generellen "Entideologisierung" der Politik im allgemeinen und der Sozialdemokratie (unter Bundeskanzler Franz Vranitzky) im besonderen war auch das Thema "Christentum und Sozialismus" für die Partei weitgehend obsolet geworden. Darüber hinaus war das Verhältnis zwischen SPÖ und katholischer Kirche (zumindest auf Führungsebene) so weit normalisiert, dass es dazu keiner gesonderten "Brückenschläge" mehr bedurfte. In der ACUS wurde jedoch immer öfter die Frage gestellt: "Wie christlich sind die Kirchen? Wie sozialistisch ist die SPÖ?" Damit stieß sie zwar weder innerhalb noch außerhalb der SPÖ auf große Resonanz, aber ein paar hundert Leute erreichte sie durch Veranstaltungen und ihr Mitteilungsblatt trotzdem. Und nach Übernahme des Parteivorsitzes durch Alfred Gusenbauer erhielt die ACUS am 19.3.2001 als "Themen-Initiativgruppe" sogar erstmals Antrags- und Stimmrecht bei den Bundesparteitagen.

Ein Grundproblem, das sich durch die 40oder 50jährige Geschichte der ACUS zieht, besteht weiter: sie wird eigentlich weder von der SPÖ noch von der katholischen Kirche wirklich ernst genommen. Das führt bei den aktiven Mitgliedern zu unterschiedlichen Reaktionen: die einen wollen ihre besondere Kirchen- und Partei treue unter Beweis stellen (und vermeiden deshalb kritische Stellungnahmen) - und die anderen sehen ihre faktische Randposition als Auftrag zur Opposition (und forcieren deshalb kritische Stellungnahmen). Bei den zweijährlichen Bundestreffen wird versucht, Kompromisse für diesen unaufhebbaren Widerspruch zu finden. Und irgendwie gelingt das auch immer wieder, auch wenn dann keine der bei den Seiten voll zufrieden ist.

Bescheidene aber wichtige Arbeit der Basis

Eine kritische Würdigung der Jahrzehnte von AKS, ASK und ACUS muss aber auch hervorheben, was Gerhard Steger in "Der Brückenschlag" so zusammenfasst: "Die Arbeitsgemeinschaften waren im Verständigungsprozess von Christentum und Sozialismus in Österreich sicherlich nicht der treibende Motor. Ihre Bedeutung lag vielmehr in einer bescheidenen aber wichtigen Arbeit an der Basis, indem sie den von den Spitzen der Kirche und der Partei in die Wege geleiteten Verständigungsprozess in die Bereiche des täglichen Lebens hineintrugen."